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Geoid und Festlegung eines Refenzellipsoids
Die Frage nach der Form der Erde ist die Frage nach einem mathematischen
Modell für die Gestalt. Unter Gestalt ist dabei auch nicht die Grenzfläche
zwischen Wasser und Erde einerseits und der Luft andererseit zu verstehen,
da diese Grenzfläche so unregelmäßig geformt ist, daß sie sich (derzeit)
einer mathematischen Modellierung entzieht. Gauß im Jahre 1828
zur Gestalt der Erde [Bauer,1997]:
"Was wir im geometrischen Sinn Oberfläche der Erde nennen,
ist nichts anderes als diejenige Fläche, welche überall die Richtung der
Schwere senkrecht schneidet, und von der die Oberfläche des Meeres einen
Teil ausmacht. Die Richtung der Schwere an jedem Punkt wird aber
durch die Gestalt des festen Teils der Erde und seine ungleiche Dichtigkeit
bestimmt und an der äußeren Rinde der Erde, von der allein wir etwas wissen,
zeigt sich diese Gestalt und Dichtigkeit als höchst unregelmäßig; die
Unregelmäßigkeit der Dichtigkeit mag sich leicht noch ziemlich tief unter die
äußere Rinde erstrecken und entzient sich ganz unseren Berechnungen, zu
welchen fast alle Daten fehlen. Die geometrische Oberfläche ist das Produkt
der Gesamtwirkung dieser ungleich verteilten Elemente und anstatt vorkommende
unzweideutige Beweise der Unregelmäßigkeit befremdend zu finden, scheint es
eher zu bewundern, daß sie nicht noch größer ist."
Der erste, rot hervorgehobene Teil der Gaußschen Aussage mag als Definition
der Gestalt der Erde dienen. Anzumerken bleibt, daß auch die Verteilung
des Wassers auf der Erde, selbst ein Ergebnis des Gravitationsfeldes, einen
Beitrag zu diesem Feld leistet. Zur Motivation der Definition sei daran
erinnert, daß mittels Libellen die Ausrichtung der Stehachse der
Vermessungsinstrumente parallel zum Schwerefeld und damit lokal orthogonal
zur Niveaufläche erfolgt.
J.B. Listing prägte 1872 für die o.g. Niveaufläche den Namen
Geoid.
Ohne in die Details einer modernen mathematischen Formulierung des Problems,
eine solche Fläche zu finden, einzudringen, muß
festgestellt werden, es selbst unter stark vereinfachenden Annahmen zu
einer Klasse äußerst schwierig zu behandelnder
Probleme der mathematischen Analysis gehört und bisher nicht gelöst
wurde. Da die Abweichungen zwischen dem Geoid und geeignet gewählten
Ellipsoiden gering sind und bei Bedarf in Rechnungen beachtet werden kann,
ist das Ellipsoid als Modell für die Gestalt der Erde gerechtfertigt und
auch in praktischen Vermessungsfragen zu nutzen. Als Beispiel sei hier
das Referenzellipsoid WGS-84 genannt, Hier weicht das Geoid um +70/-100m
ab. Das Geoid wird auch vielfach durch ein
Höhenfeld über einem Referenzellipsoid näherungsweise
beschrieben.
Aus praktischer Sicht stellt sich damit die Frage, ein Ellipsoid zu finden,
welches die Abweichungen Ellipsoid - Geoid (die
Geoidundulation) minimiert. Dafür sind mehrere
Verfahren bekannt:
- Die geometrische Methode:
Sie beruht auf lokalen Messungen der
Lotabweichungen und Variation der Lageparameter (Mittelpunkt und Richtung
der kleinen Halbachse) sowie der Größe und Gestalt der Ellipse mit dem
Ziel, die Geoidundulation zu minimieren. Als Resultat ergibt sich ein lokal
bestanschließendes Ellipsoid. Seine kleine Halbachse verläuft etwa
parallel zur Drehachse der Erde. Die heute in der Landesvermessung
meist
verwendeten Ellipsoide beruhen zu einem großen Teil auf Ellipsoidbestimmungen
nach dieser Methode, die Ende des 19. /Anfang des 20. Jahrhunderts
durchgeführt wurden. Es wird damit auch verständlich, daß in
verschiedenen
Teilen der Erde verschiedene Ellipsoide Verwendung finden.
- Die gravimetrische Methode:
Aus Schweremessungen auf der gesamten Erde wird die Geoidform so bestimmt,
daß die Schwereanomalien minimiert werden.
Das Ergebnis ist stets ein mittleres Erdellipsoid, dessen Mittelpunkt
mit dem Schwerpunkt der Erde zusammenfällt.
Die bisher genannten Verfahren sind klassisch und erdgebunden. Durch
Satellitenbenutzung wurden weiter Verfahren ermöglicht.
- Die geometrische Methode:
Der Satellit dient als hochfliegender Meßpunkt, der gleichzeitig von
mehreren Meßpunkten aus aungezielt wird. Dadurch können Meßreihen über
Ozeane hinweg miteinander verbunden werden.
- Die dynamische Methode:
Der Satellit dient als Sensor in Schwerefeld der Erde. Aus Abweichungen
seiner tatsächlichen Flugbahn von der vorherberechneten wird auf das
Gravitationsfeld der Erde geschlossen.
Refenzsysteme, Geodätisches Datum
Mathematische Koordinatensysteme und darin gegebene Koordinatenen von
Punkten sind erst
dann geodätisch nutzbar, wenn feststeht, wie das Koordinatensystem mit
dem Erdkörper verbunden ist. Dazu wird das Koordinatensystem selbst
beschrieben und es wird festgelegt, auf welche Bezugsflächen
(z.B. auf welches Ellipsoid) sich die Werte beziehen und welche Bedeutung
sie haben.
Bauer definiert:
Ein geodätisches Referenzsystem ist die Summe der
theoretischen Vereinbarungen zur Konkretisierung eines Koordinatensystems
für geodätische Zwecke.
In der klassischen Geodäsie werden die vermessenen Punkte durch die
Meßwerte zu Netzen verbunden. Die Meßwerte (Abstand, Richtung) beschreiben
zunächst nur
die relative Lage eines Punktes im Netz. Dieses Netz von vermessenen Punkten
kann (wenigstens prinzipiell) beliebig auf der Oberfläche des Bezugsellipsoids
verschoben oder als Ganzes gedreht werden. Diese Freiheit der
Anordung muß durch geeignete Festlegungen beseitigt werden.
Die Verabredungen zur Anordnung eines geodätischen
Netzes in einem gewählten Koordinatensystem wird Datumsfestsetzung
genannt.
Die Datumsfestsetzung kann als Festschreibung der Lage des
idealen, mathematischen Körpers, dessen Oberfläche als Bezugsfläche
dient und mit dem ein Koordinatensystem fest verbunden ist, im Erdkörper
angesehen werden.
Stark vereinfacht läßt sich das Verfahren der Datumsfestsetzung der
klassischen Geodäsie wie folgt
beschreiben:
- Festlegung der Parameter des Referenzellipsoids und der Bedeutung der
Koordinaten als ellipsoidische Breite und Länge. Die Ellipsoidparameter
werden aus (astronomischen) Beobachtungen berechnet.
- Lagerung des Ellipsoids.
Zentralpunktmethode: Durch Festlegung der Koordinatenwerte eines
ausgezeichneten Punktes (Lagerungspunkt), indem für diesen Punkt
astronomische Koordinaten bestimmt und evt. mit einer
Höhenfestlegung / Höhenfeststellung versehen als ellipsoidische
Koordinaten dieses Punktes definiert werden. Somit bleiben von
den oben genannten Freiheitsgraden nur noch die Drehungen um
den Lagerungspunkt mit beliebiger Drehachse, die die ellipsoidischen
Koordinaten des Lagerungspunktes nicht verändern.
Diese werden in zwei Schritten eingeschänkt:
im ersten Schritt wird die Normalenrichtung auf die Niveaufläche
im Lagerungspunkt festgelegt. Dies wird meist die negative Lotrichtung
sein, jedoch sind hier auch abweichende Festlegungen möglich, bei
denen sich negative Lotrichtung und Normalenrichtung unterscheiden.
Damit sind nur noch Drehungen des Ellipsoids um den Lagerungspunkt
mit der Normalenrichtung als Drehachse möglich, wenn dabei die
ellipsoidischen Koordinaten des Lagerungspunktes gleich bleiben sollen.
Durch Festlegung eines Azimuts eines zweiten Punktes aus astronomischen
Beobachtungen und Übernahme dieses Wertes als ellipsoidischer
Azimut für diesen Punkt.
Mehrpunktmethode: Zunächst erfolgt eine
vorläufige Datumsfestsetzung nach der Zentralpunktmethode. Anschließend
wird in ausgewählten Netzpunkten die Abweichung des Lotes von der
durch das Ellipsoid definierten theoretischen Richtung gemessen.
Auf Grund der Ergebnisse wird die Lagerung des Ellipsoids so korrigiert,
daß die Lotabweichungen in diesen Punkten minimiert wird.
Beide Methoden führen zu nichtgeozentrischen Lagerungen des Ellipsoids.
Auf Grund von Referenzsystem, Datumsfestsetzung können für auf dem
Erdkörper vermarkte Punkte Lagekoordinaten und Höhen berechnet werden.
Auf dieses Refenznetz von Punkten beziehen sich
dann weitere Vermessungsarbeiten. Hinsichtlich der Höhenangaben ist
anzumerken, daß hier weitere Probleme hinzukommen. Auch kann es bei
der Verwendung
von Höhen, die auf das Referenzellipsoid bezogen sind, in globalen
Betrachtungen vorkommen, daß Wasser den Berg hinauffließen müßte.
In der Geschichte war die Festsetzung des zu verwendenden geodätischen
Datums eine Aufgabe von Landesvermessungsbehörden, die diese Aufgabe für
ein Land oder eine Gruppe von Ländern löste, häufig ohne Beachtung
der Regelungen in den Nachbarländern.
Damit entsteht insbesondere in Grenzregionen das Problem, Koordinaten
aus einem System in ein anderes
umzurechnen, das betrifft einmal die Lagemessung und insbesondere
die Höhenmessung, wo nicht nur unterschiedliche Datumspunkte (Pegel),
sondern auch unterschiedliche Verfahren zur Umrechnung gemessener
Höhendifferenzen in Höhen zu beachten sind.
Beispiele verschiedener Datumsfestsetzungen.
Beispiele für Datumsfestsetzungen in Europa
In Deutschland sind wegen der politischen Entwicklung nach 1945 nach
der Wiedervereinigung 1990 zwei unterschiedliche Refenzsysteme und
Refenznetze vorhanden. Ihre detailierte Beschreibung findet sich
bei [Bauer,1997]
Eine zunehmende Globalisierung, z.B. durch GPS, bedingt auch
länderübergreifende Harmonisierungen. Das NAVSTAR-GPS stützt sich
auf das Refenzsystem "WGS-84", das russische GLONASS-System auf
"Parametri Zemli 1990" .
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Hinweise zur Seite an
D. Sosna
. 15.07.1999.