Graduiertenkolleg Wissensrepräsentation

an der Universität Leipzig


Repräsentationssprachen und -systeme (Brewka, Herre, Löffler)

In diesem Schwerpunkt werden Wissensrepräsentationssprachen und entsprechende Systeme untersucht. Dabei geht es zum einen um verschiedene Erweiterungen der Logikprogrammierung, insbesondere um die Behandlung von Präferenzen und Quantoren in Logikprogrammen mit zwei Arten von Negation, sowie um eine Integration des logischen mit dem funktionalen Programmierparadigma. Zum anderen soll eine Modellierungssprache entworfen werden, die durch geeignete Modularisierungskonzepte die Entwicklung komplexer Wissensbasen unterstützt.

Erweiterungen des Logischen Programmierens haben sich in den letzten Jahren für verschiedene Wissensrepräsentationsaufgaben als äußerst fruchtbar erwiesen. Sprachen der Logikprogrammierung wurden einerseits direkt als Repräsentationsformalismen verwendet. Andererseits gibt es eine Reihe von Ansätzen, etwa im Bereich der Formalisierung von Handlungen, in denen abstrakte Beschreibungssprachen verwendet werden, die sich auf einfache Weise in logische Programmiersprachen übersetzen lassen. Als besonders geeignet haben sich hierbei Sprachen mit zwei Arten von Negation erwiesen, einer Default-Negation, die der negation as finite failure in Prolog entspricht, sowie einer strikten, expliziten Negation.

Der Vorteil der Logikprogrammierung liegt darin, daß sie einen für verschiedenartige Anwendungen geeigneten Kompromiß zwischen Ausdrucksmächtigkeit und Effizienz bietet. Einerseits werden wichtige Methoden der nichtmonotonen Inferenz bereitgestellt, andererseits ist die Komplexität akzeptabel: z.B. lassen sich Anfragen an Logikprogramme unter der wohlfundierten Semantik in polynomialer Zeit beantworten.

Unser Ziel ist es, die Logikprogrammierung um weitere für Anwendungen relevante Aspekte zu erweitern. Es wird dabei insbesondere um die geeignete Behandlung von Präferenzen und Quantoren gehen. Präferenzen zwischen Regeln sind für zahlreiche Anwendungen, etwa wenn es um die Modellierung von Constraints unterschiedlicher Wichtigkeit geht, von erheblicher Bedeutung. Quantoren in Regeln sind, wie bereits McCarthy immer wieder betont hat, für verschiedene Fragestellungen in der Wissensrepräsentation erforderlich. Die Handhabung von Quantoren ist in der logischen Programmierung ein bisher ungelöstes Problem.

Insgesamt soll neben der Untersuchung der modelltheoretischen Semantik für diese Erweiterungen eine passende nichtmonotone Beweistheorie aufgebaut werden, die verschiedene inferenz-basierten Semantiken systematisiert. Die Ergebnisse zu diesem Thema sollen für die Wissensspezifikation und für Multi-Agentensysteme genutzt werden.

Die in den letzten Jahren verstärkten Bemühungen zur Integration der funktionalen und logischen Programmierung auf einer einheitlichen deklarativen Sprachbasis wollen die Vorzüge der funktionalen Ausdrucksmittel mit denen der logischen verbinden. Neben symmetrischen Ansätzen (z.B. LOGLISP) wurden sowohl logische Erweiterungen der funktionalen Sprachen (z.B. BABEL) als auch funktionale Erweiterungen der logischen Sprachen (z.B. LIFE) untersucht. Dabei werden Semantikkonzepte, Erweiterungen der Ausdrucksmächtigkeit, Möglichkeiten der Parallelisierung und der Einsatz dieser Sprachen im Rahmen der symbolischen Wissensverarbeitung angestrebt.

Unser Ansatz geht vom funktionalen Paradigma aus und ist auf Erweiterungen funktionaler Beschreibungen hinsichtlich logischer Ausdrucksmittel in Verbindung mit objektorientierten Datenmodellen gerichtet. Ausgehend von früher untersuchten algebraischen Modellen funktionaler Programmiersysteme werden verschiedene syntaktische und semantische Ansätze in Sprachen wie BABEL, CLEAN, LIFE u.a. verglichen und systematisiert. Dabei sollen implizite und explizite Parallelisierungsmöglichkeiten studiert und Constraints in funktionale Beschreibungen integriert werden.

Der zunehmende Bedarf, wissensbasierte Systeme für realistische Anwendungen in der Medizin und Biologie einzusetzen, stellt eine Herausforderung an die Modellierung der zugrundeliegenden, zumeist sehr umfassenden Domänen dar. In der medizinischen und biologischen Forschung spielt die formale Modellierung dynamischer und diagnostischer Prozesse eine wichtige Rolle. Zugleich wächst die Zahl der Publikationen mit experimentellen Ergebnissen massiv an. Die Interpretation dieser Befunde in einem modellbezogenen Wissenskontext wird dabei immer wesentlicher. Am IMISE werden beispielsweise quantitative dynamische Modelle von Zellgenerationsgeweben untersucht. Es ist inzwischen eine weit verzweigte Familie von Modellen entstanden, deren Wissens- und Erfahrungsbasis als Know How des Teams vorliegt. Dieses Teamwissen selbst zu modellieren soll Ziel eines Forschungsprojekts sein. Damit das gelingen kann, ist es vor allem notwendig, die Domäneninhalte transparent zu gestalten.

Vor diesem Hintergrund soll ein Konzept für ein systematisches Vorgehen zur Erstellung von umfangreichen Wissensbasen im Team entwickelt werden. Die hieraus ableitbaren Forschungsfragen zur Modularisierung und Konzeptualisierung von Wissen betreffen Themen der Wissensmodellierung sowie der Bereitstellung von adäquaten Repräsentationskonzepten.

Der Schwerpunkt in der Wissensmodellierung liegt auf dem Knowledge Engineering, das die Phasen der Wissensakquisition und der Konzeptualisierung des akquirierten Wissens umfaßt. Für die verschiedenen in der Wissensakquisition eingesetzten Techniken gibt es bisher keine allgemeine Systematik. Dies betrifft sowohl die Erhebung der Expertise als auch die Aufbereitung derselben [FKH97]. Des weiteren sind für die Konzeptualisierung von Wissensbeständen und deren Umsetzung nur wenige Methoden verfügbar, die zudem nur für bestimmte Problemtypen eingesetzt werden können.

Die Erhebung und Aufbereitung von umfassenden Wissensbeständen erfordert ein systematisches Vorgehen, das vor allem eine Reduktion der vorhandenen Komplexität zum Ziel haben sollte. Erfahrungen des Software Engineering bei der Reduktion von Komplexität durch Modularisierung sollen für das Knowledge Engineering fruchtbar gemacht werden. Dabei ergeben sich die folgenden Fragen: Wie sollte ein konzeptuelles Modell spezifiziert sein, damit es den Anforderungen der Erweiterbarkeit und der flexiblen Handhabung umfangreicher modularer Wissensbestände entsprechen kann? Welche Organisation ist modularen Wissensbeständen zugrunde zu legen? Ziel unserer Forschung auf diesem Gebiet ist die Spezifikation einer Modellierungssprache, die die Modularisierung von Wissen und damit das kooperative Entwickeln einer Wissensbasis unterstützt. Die Integration von konzeptueller und operationaler Modellebene soll am Beispiel von kausalen Modellen der Epithelentwicklung und Blutbildungsregulation untersucht werden.

Mögliche Dissertationsthemen:

Logikprogramme mit Prioritäten

Erweiterte logische Programme mit Quantoren.

Pattern Matching und Unifikation mit parallelen Auswertungsstrategien (parallel graph narrowing)

Constraints in funktional-logischen Sprachen

Objektorientierte operationale Berechnungsmodelle unter Einbeziehung von Backtracking-Mechanismen

Spezifikation einer Wissensrepräsentationssprache zur Unterstützung einer sichtenbezogenen Modularisierung von Wissen unterschiedlicher Spezifität

Konzeption einer Wissensrepräsentation zur Integration von konzeptueller und operationaler Modellebene am Beispiel von kausalen Modellen der Epithelentwicklung und Blutbildungsregulation