Mittwoch, 25.04.2001, 11:30, SG 00-91, Felix-Klein-Hörsaal HG 4-24
Fakultaet Geo- und Biowissenschaften
Institut für Technische Biochemie
Universität Stuttgart
"Von der Sequenz zur Funktion: ein quantitatives Modell der Selektivität von Lipasen"
Abstract:
Die chemische Individualität einer Zelle wird vor allem durch die
biochemischen Eigenschaften der exprimierten Enzyme bestimmt. Daher ist das
Verständnis des quantitativen Zusammenhangs zwischen der Sequenz eines Gens
und der Funktion des entsprechenden Genprodukts Voraussetzung für die
beiden wichtigsten Gebiete, auf denen Enzyme eine Rolle spielen: zum
Verständnis ihrer Rolle im Stoffwechsel der Zelle und bei ihrer technischen
Nutzung als Biokatalysatoren.
Mikrobielle Lipasen sind interessante Biokatalysatoren zur Darstellung von
enantiomerenreinen Alkoholen und Aminen. Am Beispiel dieser Enzymfamilie
entwickelten wir ein quantitatives Modell, das die Stereopräferenz und die
Auswirkung von Mutationen auf die Stereoselektivität quantitativ
beschreibt. Für alle Klassen von Lipasesubstraten gelang es, die
experimentell bestimmten Eigenschaften zu erklären und Mutanten mit
veränderter Selektivität vorherzusagen. Dieser in silico Assay konnte
inzwischen auf weitere Enzymfamilien übertragen werden.
Der Aufbau eines Datenbanksystems, das Sequenz, Struktur und
Funktionsinformation integriert, ermöglicht den systematischen Vergleich
aller Vertreter einer Enzymfamilie. Mit Hilfe der Lipase Engineering
Database (http://www.led.uni-stuttgart.de), die zur Zeit 135 Sequenz- und
69 Struktureinträge umfaßt, konnten neue Sequenz- und Strukturmuster zur
Vorhersage von Lipaseaktivität und Substratspezifität identifiziert werden.
Durch eine Kombination von Protein-Modellierung und Datenbankanalysen
lassen sich die Eigenschaften neu sequenzierter Genprodukte quantitativ
vorhersagen (in silico Charakterisierung und data mining), die Auswirkung
von Mutationen (Zufallsbibliotheken und Polymorphismen) verstehen und
gezielt Mutationen zur Verbesserung der Enzymeigenschaften einführen
(Protein Engineering).