kurze Beschreibung | Schwerpunkte | Forschungsprogramm |
Forschungsgegenstand des Graduiertenkollegs ist die Repräsentation und Verarbeitung von Wissen. Neuere theoretische Ergebnisse aus dem Bereich der philosophischen Logik und Wissenschaftstheorie sowie aus der eher grundlagenorientierten Forschung innerhalb der Künstlichen Intelligenz haben bisher nur wenig Eingang gefunden in konkrete Anwendungssysteme. Umgekehrt werden Erfordernisse an Repräsentations- und Verarbeitungstechniken, die sich aus konkreten Anwendungsfragestellungen ergeben, von den Theoretikern oft nicht genügend zur Kenntnis genommen.
Eines der wesentlichen Ziele des Kollegs ist es deshalb, in der Ausbildung der Graduierten eine Brücke zu schlagen von grundlagenorientierten Fragestellungen der Wissensrepräsentation über die informationstechnische Umsetzung entsprechender Methoden bis hin zu konkreten Anwendungen aus den Bereichen Wirtschaftsinformatik und Medizininformatik.
Der Begriff Wissensrepräsentation wird dabei von uns bewußt weit gefaßt: er beinhaltet neben den Repräsentationsformalismen und -sprachen sowie ihren Anwendungen auch Techniken der Wissensstrukturierung, der Generierung von Erklärungen, der Integration verschiedener Wissensquellen sowie der Visualisierung. All diese Aspekte sind unabdingbare Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz und die Akzeptanz wissensbasierter Techniken.
zurückDie Forschung im Graduiertenkolleg ist gegliedert in die folgenden 4 eng miteinander verzahnten
Insgesamt soll den Kollegiaten die Fähigkeit vermittelt werden, Theorie und Anwendung füreinander fruchtbar zu machen: sie sollen lernen, sowohl Lösungen für schwierige Grundlagenprobleme zu entwickeln als auch diese Lösungen in praxisrelevante Systeme umzusetzen.
zurückDie rasanten Fortschritte in der modernen Informationstechnologie haben dazu geführt, daß zunehmend nicht nur physische sondern auch geistige Tätigkeiten des Menschen durch Werkzeuge unterstützt werden können. Ein Teilgebiet der Informatik - die Künstliche Intelligenz - hat sich sogar zum erklärten Ziel gesetzt, solche geistigen Tätigkeiten auf dem Rechner zu modellieren, um damit einerseits zur Selbsterkenntnis des Menschen beizutragen, andererseits die Entwicklung von intelligenten Werkzeugen voranzutreiben.
Maschinen, die uns etwa bei Planungsproblemen, bei schwierigen Entscheidungsprozessen oder bei der Diagnose unterstützen sollen, müssen über ein erhebliches Maß an Wissen verfügen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Bei den genannten drei Problembereichen muß die Maschine etwa folgendes "wissen": Was sind mögliche Aktionen? Wann sind diese ausführbar? Welche Wirkung haben Aktionen? Welche Ziele sollen erreicht werden? Wie wichtig sind bestimmte Teilziele? Was sind die Entscheidungsalternativen? Welche Folgen haben bestimmte Entscheidungen? Gibt es Randbedingungen, die auf jeden Fall eingehalten werden müssen? Aus welchen Komponenten besteht ein zu diagnostizierendes System? Wie verhalten sich diese im Normalfall? Welche Wirkung haben auftretende Fehler oder der Ausfall von Komponenten?
Es ist sicherlich unstrittig, daß Wissen dieser Art eine unabdingbare Voraussetzung für das Lösen komplexer Probleme und damit auch für den erfolgreichen Einsatz von entsprechenden Werkzeugen darstellt. Weniger Einigkeit besteht darin, wie dieses Wissen geeignet zu repräsentieren ist. John McCarthy, einer der Väter der Künstlichen Intelligenz, ist der wohl prominenteste Vertreter einer deklarativen, logikorientierten Form der Wissensrepräsentation, deren Vorteile er in zahlreichen einflußreichen Arbeiten immer wieder herausgestellt hat. Unter Logik versteht McCarthy nicht die klassische Logik im engeren Sinne, sondern eine erweiterte Logik, die es u.a. ermöglicht, Alltagswissen (commonsense knowledge) geeignet zu repräsentieren. Folgende Vorteile deklarativer Repräsentation werden in diesem Zusammenhang genannt:
Modularität: die propositionale Darstellung von Wissen ermöglicht es, auf einfache Weise neue Wissensinhalte hinzuzufügen bzw. irrelevant gewordene Information zu entfernen.
Problemunabhängigkeit: die Darstellung des Wissens ist unabhängig von seiner Verwendung.
Verstehbarkeit: die Bedeutung logischer Formeln ist leichter nachzuvollziehen als die eines Stücks Programmcode; die Bedeutung einer Wissensbasis ergibt sich aus der Bedeutung der in ihr enthaltenen einzelnen Formeln (Kompositionalität).
Erklärbarkeit: Ergebnisse von Ableitungsprozessen können auf ihre Prämissen zurückgeführt werden, damit lassen sich Resultate aus dem vorhandenen Wissen begründen.
Auch in dem Graduiertenkolleg werden deklarative Formen der Wissensrepräsentation wegen der genannten Vorteile eine zentrale Rolle spielen. Allerdings nehmen wir hier keinesfalls eine dogmatische Position ein. Alternative symbolische und subsymbolische Ansätze werden bewußt mit in Betracht gezogen, da wir davon ausgehen, daß sich auch hybride Formen der Repräsentation, in denen solche alternativen Ansätze mit deklarativen Techniken integriert sind, für Anwendungen als fruchtbar erweisen. So wird es in einem der Schwerpunkte unter anderem um die Integration von funktionalen Repräsentationstechniken gehen. Im Zusammenhang mit Anwendungen der Wirtschaftsinformatik wird die Integration von deklarativem Wissen und neuronalen Netzen eine wichtige Rolle spielen.
Der Begriff Wissensrepräsentation wird von uns weit gefaßt und beinhaltet neben den Repräsentationsformalismen und -sprachen sowie ihren Anwendungen auch Techniken der Wissensstrukturierung, der Generierung von Erklärungen, der Integration verschiedener Wissensquellen sowie der Visualisierung. All diese Aspekte sind unabdingbare Voraussetzungen für den Einsatz und die Akzeptanz wissensbasierter Techniken.
In der Geschichte der Künstlichen Intelligenz hat die Erforschung von Methoden der Wissensrepräsentation stets eine zentrale Rolle gespielt. Anfangs glaubte man noch, durch eine Modellierung allgemeiner Techniken des Problemlösens, wie etwa in Newell und Simons Programm GPS (general problem solver), intelligentes Verhalten erzeugen zu können. Diese Auffassung erwies sich jedoch als allzu optimistisch. Gegen Ende der Sechziger Jahre zeigte sich dann, daß die Verwendung von Wissen in eng eingrenzbaren Gebieten zu sehr viel brauchbareren und auch ökonomisch interessanten Ergebnissen führte. Dies löste den Expertensystemboom aus: zahlreiche nützliche Expertensysteme wurden entwickelt, zahlreiche Firmengründungen erfolgten und etliche der in Folge entwickelten Systeme sind für die Firmen, die sie einsetzen, nach wie vor von erheblichem finanziellen Nutzen.
Allerdings zeigte sich auch hier, daß die anfängliche Euphorie und die damit einhergehenden übertriebenen Erwartungen auf einer völligen Unterschätzung der Wissensrepräsentationsproblematik beruhten. Die Aufgabe der sogenannten Wissensingenieure (knowledge engineers), Wissen über einen Anwendungsbereich in ein Expertensystem zu überführen, entpuppte sich als sehr viel schwieriger als vermutet. So fehlten etwa Hilfsmittel, die es erlauben, das Wissen geeignet aufzubereiten und zu strukturieren. Vor allem aber kam man mit den Repräsentationstechniken der frühen Expertensysteme bald an die Grenzen. Die meisten Systeme beruhten auf einfachen Regelsprachen, die häufig um ad hoc-Ansätze zur Behandlung von Unsicherheit erweitert wurden, wie etwa die certainty factors in MYCIN (Stanford University). Diese einfachen Formalismen erwiesen sich in vielen Fällen als ungeeignet, Wissen und Problemlöseverhalten von Experten zu modellieren, und es wurde offensichtlich, daß neue Methoden zur Behandlung etwa von Unvollständigkeit, Vagheit, Unsicherheit, Inkonsistenz, Kausalität, Zeit und dergleichen unerläßlich waren.
Diese Einsicht hat im letzten Jahrzehnt zu einer erheblichen Steigerung der Forschungsaktivitäten im Bereich der Wissensrepräsentation geführt. Dabei wurden erhebliche theoretische Fortschritte erzielt, z.B. im Bereich des nichtmonotonen und Fuzzy Schließens, der modellbasierten Diagnose, oder des Planens. Außerdem stehen inzwischen theoretisch fundierte Repräsentationssprachen und -systeme zur Verfügung. Nicht zuletzt bieten neuartige Techniken der Visualisierung die Möglichkeit, auch komplexe Sachverhalte für den Nutzer anschaulich darzustellen und damit komplexe Wissensinhalte einsichtig und nachvollziehbar zu machen.
Diese Forschungsergebnisse haben allerdings bisher nur unzureichend Eingang in die Praxis gefunden. Das liegt u.a. daran, daß die theoretischen Resultate oft äußerst technisch gehalten sind und ihre Anwendungsrelevanz nicht immer leicht erkennbar ist. Wir sind der Auffassung, daß diese Situation nur durch eine bewußte Zusammenarbeit von Theoretikern und Praktikern überwunden werden kann.
Sowohl in der Wirtschaft wie in der Medizin besteht ein besonderer Bedarf an Systemen, die Entscheidungsträger unterstützen und damit zur Verbesserung der Qualität von Entscheidungen beitragen. In Anwendungen der Wirtschaftsinformatik kann es dabei etwa um Investitionen gehen, in der Medizin um die geeignete Fortführung einer langwierigen Therapie. Wir werden deshalb Systeme dieser Art im Graduiertenkolleg in den Vordergrund stellen.
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